Mittwoch, 14. September 2011

Jagdverhalten beim Hund - warum ist es so schwer zu beeinflussen?

Die Felder sind abgeerntet, der Leinenzwang ist schon seit Monaten aufgehoben, freie Sicht und viel Möglichkeiten für Hunde, weite Strecken frei zu laufen…..Auf der anderen Seite das Wild, sich auf den Winter vorbereitend, die Jungtiere noch an der Seite – karge Zeiten stehen an, der Winterspeck muss angefressen werden.

Der Hundehalter ist für seinen Hund in jedem Falle und immer verantwortlich, vergisst aber gerne, dass er ein gut bewaffnetes und effektives Raubtier als Begleiter hat. Wie kann es passieren, dass ein Hund jagt und warum ist ein Jagdproblem so schwierig in den Griff zu bekommen?

Raubtier? Aber ja!

Einer der Hauptgründe für die Domestikation des Hundes war seine Fähigkeit, Beute zu erjagen und so als nützlicher Jagdgehilfe eingesetzt zu werden. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgte zusätzlich eine starke Zuchtauswahl im Bezug auf jagdliche Eigenschaften. Bestimmte Fähigkeiten wurden gezielt verstärkt und herausgearbeitet.
Leider bestehend diese Mechanismen auch noch beim heutigen, gut gefütterten Haushund. Kein Hund muss mehr seine Nahrung erjagen, aber der „Instinkt“ ist immer noch vorhanden. Jeder Hund ist aus zoologischer Sicht ein Beutegreifer, ein Raubtier (auch der niedliche Papillon oder der kleine Yorkshire-Terrier – gerade dieser wird oft verkannt, Yorkies sind sehr mutige Jäger!). Auch Hütehunde zeigen beim „Hüten“ stilisiertes Jagdverhalten, die Verhaltenssequenz wird durch zuchttechnische Maßnahmen jedoch nur bis zum Hetzen und Erfassen gezeigt. Der Tötungsbiss und das Beißschütteln bleiben aus, aber der Bereich des Hütens ist im Grunde Jagdverhalten ohne Endsequenzen.

Das Jagdverhalten des Hundes zeigt deutliche Unterschiede zu aggressivem Verhalten. Ein jagender Hund ist mehr oder weniger emotionslos. Er hetzt eine potentielle Beute mit dem Ziel, die räumliche Distanz zu verkleinern und das Beutetier zu töten. Ein jagender Hund zeigt keine Kommunikation mit dem Beutetier.
Im Gegensatz hierzu steht die affektive Aggression, die das Ziel hat, die Distanz zu einer Bedrohung zu vergrößern. Gleichzeitig ist das Tier hochgradig emotional und versucht, den Konflikt über Kommunikation mit dem Gegenüber zu beeinflussen (Imponierverhalten, drohen oder Knurren, Submission etc.).

Hinsichtlich der Neurophysiologie ist von Bedeutung, dass das Jagdverhalten des Hundes bereits bei seiner Ausübung, also auch ohne das Beutetier zu erreichen, über körpereigene Opiate (Endorphine, Botenstoffe im Gehirn) direkt belohnend wirkt. Somit wird bereits beim Hetzen der Beute ein Hochgefühl erzeugt und das Verhalten selbst am Laufen gehalten – auch ohne jeglichen Beuteerfolg! Jagdverhalten wird zudem unabhängig von Hunger ausgelöst, da ein Raubtier jede Chance nutzen muss; wer weiß, wann es das nächste Mal wieder etwas gibt. Jede Jagdmöglichkeit wird, wenn möglich, angenommen, aus rein neurophysiologischen Gründen. Jagen ist ein in hohem Maße selbstbelohnendes Verhalten und somit, wenn man gegensteuern möchte, sehr arbeitsintensiv. Besser, man lässt es gar nicht so weit kommen.

Das Jagdverhalten ist Hunden angeboren. Auslösereize sind zunächst optischer Natur - Objekte, die sich schnell bewegen und durch die Bewegung ein Folgen und Hetzen auslösen. Dementsprechend können auch Jogger, Radfahrer, Skateboarder, rennende Kinder, Autos oder Traktoren und andere Tiere neben Wild ein Hetzen auslösen. Was genau Objekt der Jagdleidenschaft eines Hundes wird, hängt von Lernvorgängen und persönlichen Erfahrungen des Tieres ab. Die Geruchsfähigkeiten im Hinblick auf Beute sind größtenteils erlernt, vornehmlich dann, wenn nicht bemerkt wird, dass der Hund Jagdverhalten zeigt und so viel „üben“ kann.

Das kritische Alter für eine beginnende Jagdleidenschaft liegt bei ungefähr sechs Monaten. Der Prozess unterliegt einer individuellen Entwicklung und Reifung. Bei manchen Hunden kann eine Jagdleidenschaft schon weit früher beobachtet werden, bei anderen treten die Ambitionen erst später zu Tage. Sehr viele Hunde „schauen“ sich Jagdverhalten bei anderen Hunden ab und kommen dann selbst auf den Geschmack…..

Meist wird das für den Halter sehr unangenehme Verhalten dann deutlich, wenn der Hund immer häufiger Jagdversuche startet oder gar während einer Hatz verschwindet und erst viel später wieder auftaucht. Dann ist der Hund leider so richtig auf den Geschmack gekommen und man muss durch Training gegensteuern. Jagdverhalten ist angeboren, man kann es nicht „heilen“, sondern nur kontrollierbar machen.

Was ist für Sie als Hundehalter wichtig?

Jeder jagende Hund sollte kontrolliert werden können. Der Hund bringt sowohl das Beuteobjekt (sei es nun ein Hase, ein Reh oder ein Jogger / Radfahrer), als auch sein eigenes Leben in Gefahr.

Präventive Maßnahmen sollten bereits beim Welpen ergriffen werden. Bitte bedenken Sie immer, dass Ihr kleiner Hund irgendwann einmal erwachsen ist und somit sehr gefährlich werden kann. In unserer Welpengruppe und in den weiteren Kursen besprechen wir sinnvolle Kommandos und Übungen, um Jagdverhalten frühzeitig zu unterbinden.

In kritischen Situationen sollten Sie Ihren Hund immer an der Leine führen. Wenn Sie beispielsweise einen Waldspaziergang machen möchten, so sollten Sie Ihren Hund dort grundsätzlich anleinen. Sie verstoßen sonst gegen das Tierschutzgesetz und diverse andere Gesetze (Bundesjagdgesetz, Bürgerl.Gesetzbuch). Bitte beachten Sie die Wildschongebiete! Hier herrscht Leinenzwang – bedenken Sie, dass Sie mit einem sehr effektiven Beutegreifer unterwegs sind, Sie haben im Grunde ein Raubtier an der Leine….auch der kleine Chihuahua. Nehmen Sie auf das Wild Rücksicht und schützen Sie auch Ihren Hund.

Foto: www.wald.de

Ein Hund schüttet jedes Mal, wenn er irgendetwas hinterher hetzt, körpereigene Opiate aus und belohnt sich selbst (sogar bei Verfolgen der Vögel auf dem Acker, die der Hund „ja sowieso nicht erwischt“ und wobei er immer „so schön müde wird und sich bewegt“ – nein, der Hund zeigt auch hier Jagdverhalten,  er übt sich, „stolpert“ womöglich auf der nächsten Hatz über einen Hasen und steigt in die nächste Beutekategorie auf!). Mit jeder weiteren Ausübung von Jagdverhalten wird der Hund immer geübter und „süchtiger“, unabhängig davon, ob er eine Beute zu fassen bekommt, oder nicht. Unterbinden Sie bitte die Möglichkeit, zu hetzen oder zu jagen, wenn Sie einen geneigten Hund besitzen.

Was können Sie tun, wenn das Kind schon im Brunnen ist?
Suchen Sie sich professionelle Hilfe und üben Sie:
Notfallmaßnahmen, Rückruftechniken, Belohnungsvariationen
Maßnahmen zur Senkung der Erregung nach Wildsichtung,
Impulskontrolle und Rückorientierung,
Aufmerksamkeit und Beschäftigung, 
Ignorieren eines Beutetieres, Wegsehen vom Beutetier oder gezieltes Anzeigen eines Beutetiers
Alternativverhalten und Jagd "ersatz" training und viele weitere, auf Lob und Belohnung basierende Methoden - lernen Sie, ein Markersignal einzusetzen (ein gutes Timing ist besonders wichtig)!
Nicht mit Einsatz von Strafe! (Jagen ist selbstbelohnend – Sie können durch Strafe kaum dagegen an arbeiten). Bei sehr stark ambitionierten Hunden gibt es spezielle Möglichkeiten, die jedoch natürlich ohne verbotene und tierschutzwidrige Hilfsmittel oder Strafen trainiert werden können - aber bitte nur für Extremfälle und niemals ohne professionelle Anleitung!

Das Training selbst sollte für Ihren Hund angepasst und auf seinen individuellen Zustand zugeschnitten – nicht jeder Hund hat denselben Übungsstand und dasselbe Problem und nicht jeder Halter ist wie der andere.

Jetzt stehen Herbst und Winter vor der Türe, gerade im Winter reicht es einem Reh oder Hasen aus, ein, zweimal gehetzt zu werden – das Wild muss dabei nicht erwischt werden, alleine das Flüchten zehrt so an den Kräften und Reserven, dass die Tiere verenden.

Ich hoffe, dass Ihre Hunde freudig in Ihrer Nähe bleiben und dass Sie wichtiger sind, als das Wild oder Nachbars Katze, wenn Sie mit Ihrem Hund unterwegs sind – oder, dass Sie zumindest verhindern, dass Ihr Hund zum Selbstläufer wird.

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